Ein besonderes Stück in der Sammlung des Roemer- und Pelizaeus Museums, ist die Mumie einer Frau, die sich, obwohl sie sich auf ägyptische Weise mumifizieren ließ, eine Darstellung in modischer Römischer Kleidung wählte. Die Mumie ist Eigentum der Stiftung Niedersachsen und kam bereits im Jahr 1990 als Dauerleihgabe ans RPM. Nun war es Zeit, sich wieder um ihren Erhalt zu kümmern und der Restaurator Herr Klocke, hat sie in den letzten Monaten aufwändig restauriert. Ab 3. September ist die berühmte Mumienhülle wieder in der Dauerausstellung Ägypten zu sehen!
Der Restaurator Herr Klocke hat für uns einen Gastbeitrag zu seiner Arbeit verfasst:
Begegnung mit einer Zeitreisenden – Eine Dame im römischen Gewand zu Gast in der Restaurierungswerkstatt
Die großen dunklen Augen haben den Blick sanftmütig in die Ferne gerichtet. Auf ihrer sorgfältig frisierten, schwarzen römischen Lockenpracht liegt beiläufig ein zarter goldener Blätterkranz. Heute trägt sie die breite, juwelenbesetzte Halskette. Wie zwei kleine Tempelchen mit Säulen hängen Ohrringe aus Gold und Perlen herab. Schlangenarmreifen umwinden ihre Handgelenke. Auf der Haut trägt sie eine rote Tunika mit zwei schwarz-goldenen Clavi, Streifen die vorn zwei Finger breit herablaufen. Die linke Hand mit dem grünen Ährenstrauß und auch ihre Rechte mit einem rosa Blütenkranz halten beiläufig den Saum der roten Palla zusammen, ein großes Manteltuch, damit es nicht von der Schulter gleitet. Es scheint, als sei der Dame ein wenig kalt. Ein Bild stiller Anmut.
Band 35 der Naturalis Historia, eines der wenigen erhaltenen literarischen Werke des Römers Gaius Plinius Secundus aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, berichtet uns noch heute von zahlreichen Anekdoten über berühmte Künstler und von weltbekannten Kunstwerken der Antike. Kein einziges Bildnis aus Plinius Beschreibung hat die zweitausend Jahre überstanden. Sie sind alle Opfer der Vergänglichkeit geworden.
Hier aber blickt uns ein ganz persönliches Abbild einer namenlosen Ägypterin an, gekleidet nach römischer Mode. Ägypten war Teil des römischen Imperiums geworden.
Gelten Mumienporträts heute als wertvolle, seltene Frühformen individueller Porträtmalerei, so haben wir hier ein zum Ganzkörperporträt erweitertes Mumienporträt vor uns. Das Gemälde zur Erinnerung an eine Lebende auf der Hülle ihrer eingewickelten, balsamierten Mumie. Abbilder dieser Art und Qualität kann man weltweit an einer Hand abzählen.
Nachdem die Mumienhülle 1990 als Dauerleihgabe der Stiftung Niedersachsen ins Roemer- und Pelizaeus- Museum kam, war es nun an der Zeit sich um den weiteren Erhalt zu kümmern.
Einige gelockerte Teile der Textillagen und der Farbe bedurften der konservatorischen Zuwendung. Farbschollen des einst mit geschmolzenem Wachs gemalten Mumienportraits mussten mit winzigen Klebstoffmengen wieder an ihrer nur zwei Millimeter dicken Holztafel befestigt werden. Die Oberfläche ist voller Spuren der Vergangenheit. Auch lose Fragmente einer großen Flechtmatte aus Papyrus, worin die Dame einst eingewickelt war, haften auf der Oberfläche der Malerei an der rechten Schulter und müssen stellenweise dort wieder sicher befestigt werden.
Um eine einfachere Handhabe zu ermöglichen und die empfindlichen Ränder der Mumienhülle zu schützen, wurde die schwere Plexiglasplatte entfernt und ihr eine passgenaue Körperschale auf den Leib angepasst. Die Körperschale ist nur wenige Millimeter dick, aus dem glasfaserverstärkten Kunstharz, mit dem heute auch Windräder und Schiffsrümpfe gebaut werden. Sie ist nicht fest mit der Mumienhülle verbunden, sondern bei Bedarf abnehmbar. Farblich ist sie der Mumienhülle angepasst, unauffällig und erst auf den dritten Blick zu erkennen.
Die Mumienhülle wirkt durch ihr Volumen und ihr Gewicht, als sei die Verstorbene noch im Inneren anwesend. Das linkische Glitzern von Alufolie aus einigen Fugen und der kantige Sockel unter dem Fußbereich ließen aber daran zweifeln.
Während der konservatorischen Arbeiten war etwas mehr über das Schicksal der Mumie selbst herausfinden.
Nach der Abnahme eines Teils vom Sockelklotz aus moderner Polyestergießmasse unter dem Fußbereich fand sich der Abdruck zweier zierlicher nackter Füße in den Mumienbinden. Man hatte dem Körper bei der Einbalsamierung die Zehenspitzen mit Blattgold überzogen, welches nun dort am Abdruck der Füße noch auf den Mumienbinden glänzt. Nicht selten gingen römerzeitliche Mumien in Ägypten mit etwas Gold im Gesicht, an Fingerspitzen und Zehen auf die Reise ins Jenseits.
Die Mumienhülle wurde also im 20. Jahrhundert in Bauchlage rundum geöffnet und die Dame selbst in noch recht gut erhaltenem Zustand herausgelöst. Sie hinterließ dabei ihren Körperabdruck auf der Innenseite der Mumienhülle.
Nun legte man in Bauchlage den hinterbliebenen Körperabdruck und überhaupt die ganze Unterseite mit Aluminiumfolie aus und füllte den Hohlraum mit einer Polyestergießmasse, die „Gießholz“ genannt wurde. Die Gießholzfüllung hat so viele Hinterschnitte im Inneren der Mumienhülle, dass es im Rahmen der aktuellen konservatorisch-restauratorischen Maßnahme nicht einfach entnommen und durch die neue Körperschale ersetzt werden konnte. Die Füllung also blieb. Der klotzige Fußbereich aus Gießholz wurde aber im Rahmen der aktuellen Arbeiten der Form eines Mumienkörpers angepasst. Damit konnte nun auch die neue Körperschale passgenau ihren konservatorischen Zweck erfüllen.
Es gibt noch die ein oder andere Geschichte zu dieser besonderen Zeitreisenden zu erzählen:
Vielleicht sind die hinreißenden zwei Schlangenarmreifen in der Vitrine, die neben ihr in der Ausstellung zu sehen waren, nicht nur zufällig auf der Mumienhülle in Blattgold dargestellt und zur gleichen Zeit ins Museum gelangten wie die Mumienhülle. Sind es die Lieblingsarmreifen der Dame, deren Gesicht uns noch heute von der Mumienhülle anschaut? Wo sind die schicken Ohrringe?
Seit Taylor Swift 2017 den Song „Look What You Made Me Do“ aus Ihrem sechsten Studioalbum „Reputation“ mit Schlangen und Schmuck in Verbindung brachte, sind Schlangen als Fingerringe und Armreifen fester Bestandteil und Erkennungsmerkmal in der Fankultur um die Musikerin geworden. Bei unserer Ägypterin im römischen Gewand erinnerten die Armreifen vielleicht an die berühmte Cleopatra VII, Geliebte zweier Caesaren und stolze Ägyptische Herrscherin, durch Schlangenbiss in den Freitod gegangen. Das jedenfalls war damals die offizielle Legende, als Augustus in seinem Triumphzug im Jahre 29 vor Christus ein Bild Cleopatras mit zwei Schlangen zeigte.
Kommen Sie bald wieder in Ihr Museum und schauen Sie sich die Damen an? Die Mumie ist eine Dauerleihgabe der Stiftung Niedersachsen an das Roemer- und Pelizaeus Museum.