„Ist das Kunst oder kann das weg?“

„Brauchen wir echte ägyptische Objekte im Museum?” fragte RPM-Direktorin Dr. habil Lara Weiss zum Auftakt des neuen monatlichen „After Work“-Formats, das bis zu den Sommerferien einmal monatlich im Café NIL IM MUSEUM stattfinden wird.

Hintergrund der Frage war auch der Aufschrei des RPM, das in der neuen Dauerausstellung „Es ist angerichtet: eine kulinarische Reise durch die Zeit“ aus Sicherheitsgründen zurzeit viele Objekte durch Fotos ersetzen musste.

Was ist ein echt ägyptisches Objekt?

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Frage ist absichtlich provokativ gestellt, um den Dialog anzuregen. Die Fotos in der neuen Dauerausstellung sind eine zeitlich begrenzte Notlösung. Es werden hoffentlich bald wieder mehr Objekte aus der Stadtgeschichte und Ethnologie zu sehen sein. Und selbstverständlich wird das RPM auch weiterhin altägyptische Objekte zeigen. Echte Objekte sind für viele Besucher*innen der Grund, überhaupt ins Museum zu gehen. Von der „Aura der Objekte“ war in diesem Zusammenhang die Rede. Sie inspirieren, erzählen Geschichten und regen die Besucher*innen an, immer wieder neue Bezüge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herzustellen.

Aber was ist eigentlich ein echtes Objekt? Wissenschaftliche Erkenntnisse und damit zum Beispiel Interpretationen von Objekten können sich verändern. Das gilt für Objekte aller Sammlungsgebiete. Ein Objekt, das heute als echt gilt, könnte schon morgen zum Beispiel durch Materialanalysen als Fälschung entlarvt werden. Und auch alt ist nicht immer gleich authentisch: Manche Stücke, wie etwa ein ägyptisches Modellboot, wurden bereits im 19. Jahrhundert durch Antikenhändler aus verschiedenen Objekten zusammengestellt, um sie möglichst vollständig und entsprechend hochpreisig zu verkaufen. Wieder andere sind modern stark restauriert und retuschiert und damit nur teilweise authentisch. Heute würde man das nicht mehr tun, oder, da waren sich alle Diskussionsteilnehmer*innen einig, ist zumindest maximale Transparenz wichtig. Museumsbesucher*innen kommen für das echte Objekt. Sie möchten darüber informiert werden, was alt ist und was neu, was authentisch und was modern rekonstruiert oder gar Replik oder Fälschung.

Modell eines Segelbootes Holz, stuckiert und bemalt, Mittleres Reich, 11. Dynastie, um 1800 v. Chr. Bei diesem Modell wurden die Figuren nachträglich hinzugefügt.

Immersive Erlebnisse und Inszenierung

Weniger Einigkeit herrschte darüber, ob und wie stark Museumsobjekte inszeniert werden dürfen. Traditionell erwarten manche Besucher*innen eine Atmosphäre der Ruhe, um die Ausstrahlung der Objekte auf sich wirken zu lassen. Andere möchten, dass das Objekt in ein größeres Erlebnis eingebunden wird, also eine spannende Inszenierung oder eine immersive Erfahrung. Der richtige Weg ist hier sicher eine bunte Kombination in der Ausstellung, die beide Bedürfnisse bedient und eine individuelle Auswahl erlaubt. Ausstellungen können (und wollen!) verschiedene Ebenen bedienen. Nicht jeder Ausstellungstext muss von allen Besucher*innen gelesen werden. Nicht jede lustige Animation muss von allen angesehen werden. Wichtig ist eine Mehrstimmigkeit der Formate und die Wahlmöglichkeit für Besucher*innen, in die Tiefe einzutauschen oder eben nicht, ihrer Neugier und ihren Interessen zu folgen und sich auch mal treiben zu lassen.

Was ist ein Museum?

Das RPM befindet sich in einem grundlegenden, überlebenswichtigen und manchmal schmerzhaften Veränderungsprozess, in dem es sich gezielt öffnen möchte. Die Museumslandschaft verändert sich nicht nur in Hildesheim, sondern weltweit. Traditionelle Kernthemen des Museumsbetriebs wie Sammeln, Erforschen, Vermitteln und Erhalten reichen nicht mehr aus. Museen werden sich in jüngerer Zeit immer mehr ihrer politischen und gesellschaftlichen Rolle bewusst und möchten auch diese transparent gestalten. Museen sind keine neutralen Orte. Nicht umsonst ist #MuseumsAreNotNeutral schon länger ein Begriff in den sozialen Medien. Jede Ausstellung ist immer eine Interpretation. Diese zeigt sich zum Beispiel in der Auswahl oder auch dem Weglassen bestimmter Objekte und Geschichten. Bewertungen von Objekten, deren Herkunft und manchmal auch ihrer rechtmäßigen Bestimmung sind im Wandel. Das RPM sucht ganz bewusst den Dialog mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Ziel ist, ein für alle zugänglicher Ort zu werden, an dem sich unterschiedlichste Menschen begegnen, austauschen und gemeinsam die relevanten Fragen unserer Zeit debattieren. Kritik ist ganz explizit erlaubt. Das heißt auch, mal Meinungen auszuhalten, denen man nicht zustimmt. Auch in diesem ersten After-Work-Dialog herrschte nicht immer Einigkeit.

Dr. Weiss schloss die Veranstaltung mit der Hoffnung, dass auch in den kommenden Veranstaltungen weiter gemeinsam darüber gestritten wird, was für ein Museum das RPM in Zukunft sein soll und was für Inhalte und Veranstaltungen sich die Hildesheimer und Hildesheimerinnen wünschen: „Ich freue mich auf Ihre Ideen und Ihren Input zu den verschiedenen Themen und gemeinsamer anregender Entspannung und Dialog bei leckeren Snacks & Drinks im NIL IM MUSEUM.“

Die Diskussion nach dem Impuls von Direktorin Dr. habil Lara Weiss war sehr vielfältig und anregend.

Am 13. März, 17:00 bis 19:00 spricht Ethnologin Dr. Sabine Lang über „Ist das alles nur geklaut? Über Kriegsbeute aus Kamerun“. Bitte melden Sie sich bis spätestens 6. März an per E-Mail unter kasse@rpmuseum.de oder telefonisch 05121-9369-0

Bitte beachten Sie: Der Vortrag entfällt und wird an einem anderen Termin nachgeholt.

Mehr Info: https://rpmuseum.de/monatliches-after-work-format-im-cafe-nil-im-museum-beginnt-am-14-februar